Die Geschichte unseres Tourenrucksacks „Waxmann“

Einen Rucksack baut man nicht mal eben so – und schon gar nicht einen, der in seiner Funktionalität den hohen Ansprüchen an lange Wandertouren gerecht werden soll. Aber es wäre ja auch langweilig, wenn man so ein Teil einfach aus dem Ärmel zaubern könnte. Dies ist die Geschichte unseres Tourenrucksacks WAXMANN.

Wie alles begann und warum ein eigener Rucksack für Hüttentouren her musste

Die Geschichte unseres Waxmann begann bereits im Frühjahr 2016. Ich hatte mir vorgenommen, eine Alpenüberquerung zu machen und mir eine alternative Route zum viel begangenen Europawanderweg E5 ausgearbeitet, die ich alleine im Sommer 2016 gehen wollte (die Routenbeschreibung und den Tourbericht findest Du hier). Natürlich konnte ich schon damals aus einem eigenen Sortiment an schönen Lodenrucksäcken wählen, aber für die Ansprüche einer 1-wöchigen Hüttentour war weder unter den WALDKAUZ-Jagdrucksäcken, noch unter den gerade neu entstandenen STEINKAUZ-Freizeitrucksäcken das passende Modell dabei.

Was sollte ich tun? Ich konnte unmöglich als Hersteller von schönen, klassischen Lodenrucksäcken mit einem Nylon- oder Polyestermodell über die Alpen marschieren. Da ich schon länger mit der Idee spielte, einen neuen Jagdrucksack mit Hüftgurt und anderen moderneren Annehmlichkeiten zu versehen und auch erste Versuche damit hinter mir hatte, beschloss ich kurzerhand, meine bisherigen Erfahrungen dafür zu nutzen, einen eigenen Rucksack für meine Hüttentour zu entwickeln. In den nächsten Monaten nahm dieses Projekt einen geraumen Teil meiner Zeit und der einer meiner Mitarbeiterinnen ein und wir steckten alle Energie in die Entwicklung der Form, der Trageergonomie, einer guten Rückenventilation, Gewichtsverteilung und was es noch alles zu beachten gab. Das Ergebnis unserer Arbeit wurde mit den letzten Änderungen am Abend des 1. Julis unmittelbar vor meiner Abreise Richtung Oberstdorf auf den letzten Drücker fertig gestellt.

Es war ein waschechter und voll tauglicher Wanderrucksack, der aber ganz anders wirkte, als alles was ich bisher in dem Bereich gesehen hatte: Es war ein Designobjekt aus Loden, Leder, Filz und natürlich auch einem gewissen Anteil an Kunststoff, wo er eben Sinn machte. Die ganze Materialzusammenstellung wirkte sehr klassisch, und trotzdem durch die Mischung mit modernen Werkstoffen auch wieder sehr ungewöhnlich – auf jeden Fall super schick! Ich war mächtig stolz und schwer gespannt, ob der Rucksack halten würde, was ich ihm abverlangen wollte.

Der Ur-Prototyp auf der Alpenüberquerung – damals noch aus Loden

Versuch macht Kluch: Von der Wichtigkeit des Testens

Gleich am ersten Tag der Tour sammelte ich meine ersten wichtigen Erfahrungen. Die erste Erkenntnis war, daß uns die Ergonomie super gelungen war. Der Hüftgurt saß bequem, die Tragegurte ließen sich gut während des Laufens verstellen und nichts drückte oder scheuerte trotz etwa 11 kg Gewicht auf dem Rücken. Ein super Anfang!

Am Nachmittag brach mir dann der obere Teil der Rückenplatte. Wir hatten eine fixierende Naht durch den Kunststoff genäht und damit eine Art perforierte Sollbruchstelle, ähnlich einer Eintrittskarte mit Abreisskante, geschaffen. Das wäre nicht problematisch gewesen, wenn wir nicht auch die falsche Materialwahl getroffen hätten. Heute weiss ich, welcher Kunststoff für eine Rucksack-Rückenplatte verwendet werden muss, um eine optimale Mischung aus Elastizität, Gewicht und Zähigkeit zu erhalten. Alles in allem machte unser Erstlingsstück die Tour aber anstandslos mit und brachte Mann und Ausrüstung brav über den Alpenhauptkamm bis nach Meran. Der etwas bewegliche obere Teil der Rückenplatte störte nicht wirklich. Ich wurde extrem häufig auf den Hütten von anderen Wanderern und auch dem Hüttenpersonal auf den Rucksack angesprochen, weil er unter den vielen grellen Farben mit seinem gesamten Erscheinungsbild doch deutlich hervorstach. Das Interesse war groß und die Lust, mehr daraus zu machen wuchs langsam in mir heran.

Leider musste ich neben hilfreichen Detailerfahrungen auch eine Erkenntnis mit nach Hause nehmen, die mir nicht so gut gefiel. Während bei der Jagd und bei kleineren Tagesausflügen Loden ein wunderbares Material für Taschen und Rucksäcke ist, war der Stoff aus reiner Schurwolle für eine mehrtägige Tour einfach nicht optimal. Vor allem eines machte mir Sorgen: Einmal feucht geworden, braucht Loden mehr Zeit zum Trocknen als andere Materialien. Ich hatte zwar im Boden eine Tasche mit einer Regenhülle aus Silnylon dabei aber so ganz würde sich das nass werden nicht vermeiden lassen, wenn man erst mal in einen richtigen Bergregen kommen würde.

Die Suche nach dem richtigen Material

Nach dem Abenteuer Alpenüberquerung ging es also gleich wieder an die Weiterentwicklung meines neuen Steckenpferdes. Das nächste Modell bekam eine andere, viel zähere Rückenplatte, einige Materialien wurden gegen andere ausgetauscht, um die Belastung an bestimmten Stellen zu reduzieren und andere Stellen haltbarer zu machen. Die Tragegurte wurden verändert und verbessert und nicht zuletzt wurde der Loden gegen einen Polyesterstoff ersetzt. Es war ein sehr schönes Material, nach dem ich lange recherchiert hatte. Ich wollte einen Kunststoff, der möglichst natürlich aussah und nicht die typische Nylonoberfläche besaß.

Dieses neue „Modell 2.0“ meines Hüttenrucksacks stand der Lodenversion optisch in nichts nach und hatte die Kinderkrankheiten des Vorgängers hinter sich gelassen. Es folgten gleich mehrere mehrtägige Touren in den Allgäuer und Tiroler Alpen und auf deutschen Flachlandwanderwegen und auch im Freundeskreis wurde der Eine oder Andere in die Pflicht genommen, den Rucksack zur Probe zu tragen. Auch hier kamen wieder Kleinigkeiten zu Tage, die auf meine Verbesserungsliste gesetzt wurden, die inzwischen ständiger Begleiter auf meinem Smartphone war. Alles in allem aber war ich schon sehr glücklich mit dem Gerät. Was mir leider keine Ruhe ließ, war das Material. Für eine Kunstfaser war es ein wirklich schöner Stoff aber ich wollte einfach nicht aufgeben, noch etwas zu finden, das „echt“ war. Ein natürliches Material, das stabil und langlebig genug war und derart imprägniert, daß es meinen Anforderungen an einen guten Tourenrucksack gerecht werden würde.

Die Lösung hing seit Jahrzehnten im Kleiderschrank

Als meine Frau eines usseligen, verregneten Herbsttages Ihre alte englische Wachsjacke für den Hundespaziergang aus dem Schrank holte, fiel endlich der Groschen: Gewachste Baumwolle war das Material, das ich für meine Zwecke suchte! Meine sogleich beginnende Recherche führte mich über den Ärmelkanal ins Vereinigte Königreich, sozusagen in die Wiege des Waxcottons und dort wurde ich nach viel Suchen, Vergleichen und Testen am Ende auch fündig. Im Frühjahr 2018 hielt ich den ersten STEINKAUZ-Tourenrucksack aus Waxcotton in der Hand und machte mich gleich auf den Weg, ihn auszuprobieren. Zuerst aus kleineren Wandertouren und später dann auch auf mehrtägigen Touren am Berg und sogar in der skandinavischen Wildnis, musste der Stoff vor allem zeigen was er abhält.

Die Ergonomie und Funktionalität hatte inzwischen auch ihre letzten kleinen Verbesserungen erfahren und der Materialmix hatte sich endlich zu meiner vollen Zufriedenheit entwickelt. Die Mischung aus den verwendeten, echten Naturmaterialien, kombiniert mit modernen Kunststoffen, ein wenig Metall und vor allem dominiert von der unverwechselbaren Oberfläche der gewachsten Baumwolle war einfach ein Knaller. Dazu konnte der Rucksack jetzt endlich auch Regen gut ab und für die ganz harten Tage hatte er immer noch die Nylonhülle als Backup in der Bodentasche. Die Frage, in welcher der inzwischen ausprobierten schönen Farben ich den Rucksack herstellen wollte, löste ich pragmatisch, indem ich bei einem unserer Zwischenmeister gleich alle drei Farben in Auftrag gab.

Zieleinlauf!

Nun ist er endlich fertig – unser Rucksack für Hüttentouren – und wird in Kürze ein neues Mitglied in der STEINKAUZ-Familie sein! Ein Prachtstück von einem Rucksack, auf den wir hier alle sehr stolz sind. Ein Symphonie aus Wachstuch, Leder und Edelmetall und dabei tauglich, seiner Bestimmung voll und ganz gerecht zu werden. Zugegeben, im Vergleich des Marktumfeldes ist der „WAXMANN“, wie wir ihn  getauft haben, preislich im oberen Bereich angesiedelt aber das ließ sich aufgrund der edlen Materialien und der sehr aufwändigen Fertigung – made in EU und dann auch noch in Kleinserie – nicht anders bewerkstelligen. Aber er ist etwas ganz Besonderes geworden und besondere Dinge haben halt nunmal ihren Preis (der meist auch mit der Seltenheit selbiger zusammenhängt).

Dafür wird man aber sicherlich auch nicht Gefahr laufen, bei der nächsten Hüttentour aus Versehen den Rucksack des Stubennachbarn zu greifen, der zufällig das gleiche Modell im Angebot erworben hat. Der WAXMANN wird ein Exot und ein absolutes Liebhaberstück bleiben, denn das Zeug zur Massenware hat er gleich aus einem ganzen Haufen Gründen nicht. Aber wir würden uns auch langweilen, wenn wir nicht ständig etwas ein bißchen anders machen könnten…