E5 auf Abwegen, Tag 4: Larcher Alm – Wenns – Braunschweiger Hütte

Strecke: 39 km (davon ca. 28 km Busfahrt durchs Pitztal)
Reine Wanderzeit: ca. 5 Std. ( 2 Std. von Larcher Alm bis Wenns und 3 Std. von Mandarfen zur Braunschweiger Hütte)
Aufstieg: 1895 m (davon  ca. 820 m mit dem Bus)
Abstieg: 810 m
Höchster Punkt 2757 m

Kurzbeschreibung:
Abstieg von der Larcher Alm nach Wenns im Pitztal • Busfahrt ab Wenns nach Mandarfen • Aufstieg zur Braunschweiger Hütte über die Route „Wasserfall“

Der Abstieg von der Larcher Alm nach Wenns im Pitztal

In die Gletscherwelt der Ötztaler Alpen

Heute wird gepfuscht und zwar mit Vorsatz! Die heutige Etappe hat eine Gesamtlänge von fast 40 km, von denen sich etwa 34 km durch den Talboden des Pitztals ziehen. Auch diese Etappe kann man sicherlich zu einer schönen Wanderung ausbauen, die sich allerdings einen ganzen Tag durch das gleiche Tal zieht. Ich habe beschlossen es so zu machen, wie es die meisten  E5-Wanderer auf der regulären Route auch tun und den Bus zu nehmen, der mich von dem Ort Wenns bis nach Mandarfen bringt. Was die Route angeht komme ich ab heute auch nicht mehr um den Standardweg herum, den die Route Oberstdorf-Meran vorsieht. Abweichungen und Varianten würden ab hier recht große Umwege bedeuten und die noch bevorstehenden Etappen möchte ich auch gerne auf dem normalen Weg gehen, weil mir besonders die Gletscherwelt um die Braunschweiger Hütte nicht entgehen soll. Um die Menschenmassen auf der Braunschweiger zu umgehen und weil ich nicht im Vorfeld reserviert habe, habe ich den Plan, im Gasthaus Gletscherstüble am Ende des Pitztals und unmittelbar vor dem Beginn des Aufstiegs zu übernachten und die Braunschweiger als Vormittagsziel anzupeilen.

So geht es also nach großartigem Frühstück und herzlicher Verabschiedung frohen Mutes an den etwa 2-stündigen Abstieg von der Larcher Alm nach Wenns im Pitztal. Der Weg ist gut ausgeschildert und führt auf meist angenehm zu laufenden Pfaden durch Wald und Almen in Richtung Ort. Es gibt auch die Möglichkeit, einfach den Schotterweg zu laufen, das reizt mich aber nicht besonders und ist auch länger.

Das letzte Stück führt über Asphalt und den Ortsrand von Wenns und endet im Ortskern, wo sich Touristeninfo, Supermarkt und Bushaltestelle an einem Fleck befinden. Nach einer Zwangspause bis zum Eintreffen des Busses beginnt die lange Fahrt durch das Pitzal. Schön ist es dort schon aber auch sehr besiedelt und ich bin ganz froh, entschieden zu haben, dieses Wegstück abzukürzen. Mit den übrigen Etappen kann es kulissenmäßig nicht mithalten.

Von Mandarfen zur Gletscherstube

Die Busfahrt endet in Mandarfen, von wo ein Wanderweg parallel zur Straße in Richtung „Gletscherstube“ führt. Die Gletscherstube ist ein gut besuchtes Restaurant mit Sonnenterrasse und bietet Übernachtungsmöglichkeiten, auch wenn auf der Braunschweiger Hütte nichts mehr zu machen ist. Hier ist eigentlich mein planmäßiges Etappenziel für heute. Vor Ort bemerkte ich aber meine Fehlplanung: Es ist Mittag und ich bin nach nur sehr kurzer Wanderung und eher langer Busfahrt schon am Ziel. Ich bin noch gar nicht ausgelastet und werde mich langweilen! Außerdem würde ich am nächsten Tag bereits vormittags auf der Braunschweiger Hütte sein und diese dann wohl überlaufen, wenn ich mich nicht noch einen Tag langweilen wollte. Nach der Braunschweiger Hütte kommt aber lange nichts, wo man einkehren könnte und von der Gletscherstube bis nach Vent an einem Tag wäre es ein ziemlicher Gewaltmarsch, den es einfach nicht braucht. Ein Anruf auf der Braunschweiger, der klären soll ob nicht vielleicht doch etwas geht, ändert meine Pläne schnell. Der tiefenentspannte Hüttenwirt sagt es sei die Hölle los aber einen einzelnen Mann bekommt er immer unter, da bräuchte ich mir keine Sorgen machen.

Blick zurück ins Pitztal

Ich mache mich also auf den Weg nach oben. Auf den ersten Metern muss ich noch eine Entscheidung fällen, ob ich den Jägersteig oder den Weg über den Wasserfall nehmen möchte. Der Jägersteig ist etwas ausgesetzter und führt eben nicht am Wasserfall vorbei, denn ich schon gerne sehen möchte. Also rechts herum. Der gesamte Aufstieg ist von den Massen, die hier jedes Jahr aufsteigen, so ausgetreten, dass es sogar Schilder braucht, die darauf hinweisen doch bitte auf den Wegen zu bleiben, damit nicht die ganze Flora zertrampelt wird. Markierungen bräuchte es hier eigentlich nicht, um den Weg zu finden. Wieder einmal merke ich, wie schön einsam mein bisheriger Weg oft war. Das wird sich ab jetzt zumindest an bestimmten Stellen ändern, denn ab jetzt bleibe ich auf dem originalen Weg Oberstdorf-Meran.

Der Mittelbergferner

Der Anstieg beginnt erst sachte und wird dann schnell steiler. Bis zum Wasserfall geht es zwischen Felsen hindurch an der Westflanke des Karleskopfes hinauf. Oberhalb führt dann eine teilweise seilversicherte aber harmlose Kletterstelle auf eine Schotterpiste, die im Winter wahrscheinlich als Abfahrt für Skifahrer dient. Es geht ein Stück an dieser Piste entlang und dann wieder in den Hang. Die Aussicht wird mit jedem Meter weiter und gibt immer mehr Blick auf die umliegenden Gletscher frei. Irgendwann erahne ich die Kante über mir und entdecke dann auch erstmals das Dach der Braunschweiger Hütte. Oben angekommen melde ich mich an und erhalte einen Schlafplatz in einem der Bettenlager.

Die Braunschweiger Hütte kommt in Sicht

Halligalli auf der Braunschweiger

Die Braunschweiger Hütte ist mit um die 200 Schlafplätzen wirklich groß und trotzdem herrscht eine absolut geordnete und routinierte Atmosphäre. Das Personal und der Wirt sind freundlich und scheinen bei jedem Gast gleichzeitig zu sein, obwohl alles um sie herum rotiert. Ich beziehe mein Lager und stelle fest, dass ich der Erste in diesem Raum bin. Ich suche mir einen einzeln stehenden Schlafplatz an der Wand aus und begebe mich erstmal in die Gaststätte um mich zu stärken. Danach wird geduscht und es geht müde aber zufrieden in Richtung Koje.

Kurz darauf wird es laut auf dem Flur. Der Stimmenlärm nähert sich meiner Zimmertür, die Tür öffnet sich und herein kommt eine Gruppe älterer Wanderer. Der Erste im Pulk sieht mich, zeigt mit dem Finger auf mich und sagt: „Sie –Sind – Hier – Fehl am Platz!“ Amüsiert bemerke ich, dass dies ein Schlafsaal ist und kein Hotelzimmer und dass es auf Hütten allgemein üblich ist, sich solche Räume mit anderen Wanderern kameradschaftlich zu teilen. Die Antwort kommt nicht mehr sehr überraschend: „Wir sind aber eine Gruppe und haben hier alles reserviert!“ Im gleichen Moment kommt der Bergführer dieses merkwürdigen Klübchens herein und entschuldigt sich bei mir für das Verhalten. Die Leute seien zum Teil zum ersten Mal überhaupt in den Bergen, hätten bisher auf den anderen Hütten immer den ganzen Saal für sich gehabt und kennen das noch nicht. Ich nicke das ab und denke mir meinen Teil. Sich wenigstens ein bisschen vorab über eine solche Reise zu informieren und mit den Gepflogenheiten einer Hüttentour auseinanderzusetzen, wäre wohl nicht zu viel verlangt. Schwamm drüber.

Ruhe vor dem Sturm: Mein Bettenlager in der Braunschweiger Hütte

Schlimmer stellt sich im Laufe der Nacht heraus, dass es in der Gruppe wohl so eine Art Alphaweibchen gibt, eine selbst ernannte Anführerin, die, sobald der Guide aus dem Zimmer ist, das Ruder übernimmt und die Ansagen macht. Die Wichtigste und für mich Verheerendste lautet, dass das Fenster während der Nacht geschlossen zu bleiben hat, weil es schließlich draußen saukalt ist. Naja, auch das werde ich überleben und muss mich deshalb nicht mit diesen Leuten streiten. Ich überlebe, wenn auch nur knapp. Mit insgesamt zwölf schnarchenden, furzenden und in der zweiten Nachthälfte auch nach Luft schnappenden Rentnern, eingeschlossen in einem ca. 25m“ großen Raum bei geschlossenem Fenster zu übernachten, bringt mich an die Grenze der Klaustrophobie. Zwei von den Mitinsassen versuchen Nachts zu rebellieren, werden aber von der Leitbache schnell in Ihre Schranken verwiesen. Ich überlege, auf den Flur zu ziehen, stelle aber fest, dass dort schon überall Menschen liegen und kein Platz mehr ist. Wenigstens steht für den Rest der Nacht die Flurtür etwas offen und lässt den Rest Sauerstoff aus dem Korridor einsickern.

Am nächsten Morgen bin ich der Erste, der wach ist und auch der Erste, der den Raum verlassen hat. Die Nacht war wahrlich bescheiden aber es hat ein Gutes: Ich bin auch einer der ganz frühen Vögel, die den Marsch in Richtung Rettenbachjoch in Angriff nehmen.

Unterkunft:

Braunschweiger Hütte:
Tel. +43 664 20 12 013
Außerhalb der Öffnungszeiten:
Tel. +43 664 53 86 191

Ausweichmöglichkeit bei Überbuchung der Braunschweiger:

Gletscherstube
Dagmar Gudolf
Mandarfen 66 | A-6481 St. Leonhard – Pitztal
Tel.: 0043(0)664 3944118
E-Mail: info@gletscherstube.at
Website: www.gletscherstube.at

E5 auf Abwegen, Tag 5: Braunschweiger Hütte – Vent