Strecke: 20,3 km
Wanderzeit: ca. 12 Std. mit kleiner Pause in Bach und vor dem Aufstieg zum Leiterjöchl, sowie großer Pause im Berggasthof Hermine
Aufstieg: 1730 m
Abstieg: 1316 m
Höchster Punkt 2534 m
Kurzbeschreibung:
Abstieg von Bernhardseck nach Bach • Kurze Pause, dann durchs Madautal zum Berggasthaus Hermine in Madau • Aufstieg über Unterlahmshütte und Schiefersee • Klettersteig zum Leiterjöchl • Abstieg durchs Leiterjöchl über Schneefelder zum Württembergerhaus
Ein langer Tag mit viel Auf und Ab steht mir bevor
Im Nachhinein betrachtet ist dieser Tag der in allen Belangen Anspruchsvollste, auch wenn auf der normalen Route der berüchtigte lange Abstieg nach Zams sonst immer als die große Herausforderung genannt wird. Heute liegen über 20 km Wegstrecke, 1,3 km Abstieg und 1,7 km Aufstieg vor mir. Der Lohn dafür: Der Zamser Abstieg am folgenden Tag ist dafür ein gutes Stück kürzer und verliert dadurch deutlich an Schärfe – die Knie werden die gleichmäßigere Verteilung der Abwärts-Meter danken!
Der Morgen des zweiten Tages beginnt mit einem Abstieg von etwa 800 Höhenmetern von der Hütte Bernhardseck nach Bach. Von der Hütte geht es über Almwiesen und durch Wald im Zickzack langsam in die Tiefe, bis ein letztes Stück Asphaltstraße in den Ort Bach führt. Im kleinen Supermarkt gibt es zur Belohnung einen kühlen Almdudler und einen Schokoriegel.
Wer die streckenmäßige Belastung des Tages etwas entschärfen möchte, kann von hier aus eines der Feuerstein-Taxis abfangen, die täglich mehrmals Wanderer von Holzgau nach Madau bringen und sich am Gasthof Bergheim absetzen lassen, um von dort zu Fuß fortzusetzen. Allerdings ist die Strecke Bach-Madau schöner als oft beschrieben, auch wenn es an der Straße entlang durch das Madautal geht. Wasserfälle und ein kühles Klima, teilweise im Schatten von Bäumen und ein ruhiger Weg machen diesen Abschnitt angenehm und Bergpanorama wird es heute noch in ausreichender Menge geben.
Etwa 2,5 km hinter dem Ort Bach weist ein Schild nach rechts zum Sonnenkogel, etwas später geht links der Weg zu einer Variante ab, die ich mir gespart habe: Der Hermine-Höhenweg führt auf der andere Seite des Tals an steilen Hängen entlang. Er gilt als nicht ganz unkompliziert, da er zum Teil sehr schmal und ausgesetzt sein soll und durch steile Geröllfelder führt. Man hat häufig Blick auf diesen Pfad von der Straße aus aber es fiel mir schwer einzuschätzen, ob er tatsächlich so schwierig ist. Entscheidend war für mich vor allen Dingen, dass man für diese Variante eine weitere halbe Stunde zusätzlich einplanen muss, die ich mir in Anbetracht der Gesamtstrecke des Tages lieber sparen wollte.
Das Gasthaus „Bergheim Hermine“ in Madau ist eine recht große aber schöne Restauration mit netter Biergartenatmosphäre, die nach den inzwischen ca. 11km Marsch zu einer deftigen Stärkung einlädt. Übrigens: Vor der Tour dachte ich nach den Beschreibungen anderer, Madau wäre ein kleiner Ort. In Wirklichkeit ist Madau das Bergheim Hermine, sowie eine Handvoll Häuschen, die sich darum verteilen.
Gut gestärkt geht es von Madau nun weiter. Während die meisten E5-Wanderer nun den Aufstieg zur Memminger Hütte in Angriff nehmen, führt mein Weg unmittelbar hinter der Terrasse des Gasthofs in Richtung Leiterjöchl und Württembergerhaus. Während fast alle Wanderer den Weg in Richtung Memminger einschlagen, werde ich bis zum Erreichen des Württembergerhauses niemanden mehr zu Gesicht bekommen – zumindest keinen Zweibeiner.
Mein Weg führt mich zweimal über den Rottal-Bach, an dem entlang ich langsam aber stetig immer mehr Höhe gewinne. Vorbei an der Unterlahmshütte, die nur noch eine Ruine ist, nähere ich mich der beeindruckenden Wand vor mir und frage mich ob die Beschreibungen standhalten, die diesen Abschnitt als steil aber relativ harmlos beschrieben haben.
Es wird merklich steiler und langsam zeichnet sich eine Art Stufe in dem Hang vor mir ab. Irgendwo da oben muss der Schiefersee liegen, der den Endspurt zum Leiterjöchl ankündigt. Vorher quert der Pfad aber zweimal eine Geröllhalde, die von weitem alles andere als vertrauenserweckend aussieht. In der Geröllwüste merkt man aber dann doch, dass der Weg besser ist als erwartet. Am Ende der ersten Querung weist ein Schild darauf hin, dass der Weg geradeaus in Richtung Memminger Hütte führen würde, die es für mich schon allein aufgrund des unsäglichen Andrangs von E5-Gruppen zu vermeiden gilt. Also Kehrtwende und ein zweites Mal etwas oberhalb durchs Geröll in Richtung Leiterjöchl und Württembergerhaus.
Am Ende der Doppelpassage fällt eine leichte Anspannung von mir ab. Ein unerwarteter Steinschlag wäre alleine in dem Gelände nicht sehr vorteilhaft. Nach der Halde wird es wieder grün und die Murmeltiere beobachten mich auf Schritt und Tritt. Spätestens jetzt sollte man sich eine Minute Zeit nehmen und mal einen Blick zurück werfen. Das lange Tal zeigt beeindruckend, welche Strecke ich seit Madau schon wieder zurückgelegt habe und sogar den Startpunkt am Bernhardseck kann man ungefähr erahnen. Die Pause wird auch dadurch belohnt, dass ich weiter unterhalb, ganz nah an meiner Strecke, ein Rudel Gams entdecke. Die muss ich relativ knapp passiert haben, ohne etwas davon zu bemerken.
Bis jetzt war dieser Tag mehr als abwechslungsreich und genau so wird es auch noch weitergehen. Kurze Zeit später erreiche ich die zuvor vermutete Terrasse und blicke auf den Schiefersee. Ich hatte mir etwas mehr davon versprochen aber schön ist er trotzdem. Allerdings stiehlt dem kleinen Seechen etwas ganz anderes schlagartig die Show. Etwas weiter oberhalb des Sees entdecke ich einen kleinen Punkt, der sich eben ganz deutlich bewegt hat: Der erste Steinbock der Tour! Wenn ich es richtig einschätze, muss ich genau dort entlang, mal sehen wie nah er mich ranlässt.
Es wird wieder geröllig und auch deutlich steiler. Nur merke ich davon nichts, denn im Näherkommen entdecke ich immer mehr Steinböcke. Auf jeder kleinen Anhöhe, so scheint es, steht mindestens einer! Damit nicht genug, scheinen die Tiere den Begriff Fluchtdistanz noch nie gehört zu haben. Bei einem Gewicht von bis zu 50kg und den beeindruckenden Schnecken, wie man die Hörner nennt, wird es mir fast schon etwas mulmig, als es zwischen den zum Glück entspannt wirkenden Anwohnern dieses verlassenen Fleckchens hindurchgeht. Bis auf ca. 7-8 m lässt mich ein Bock passieren. Ob es noch näher geht, will ich nicht ausprobieren, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass ich bei 50 aufgehört habe zu zählen.
Noch habe ich den unvergesslichen Eindruck der Steinböcke kaum verarbeitet, da wartet auch schon die nächste Herausforderung auf mich: Der Aufstieg zum Leiterjöchl naht. Die letzten Meter vor dem Grat, der mit 2534 m auch den höchsten Punkt des Tages darstellt, sind auch die Anspruchsvollsten für heute. Der Aufstieg beginnt mit einer drahtseilversicherten, klettersteigähnliche Passage durch eine Spalte und setzt sich dann in einem an ein paar Stellen ausgesetzten, schmalen Pfad fort, der auf dem Grat endet.
Die Kletterpassage ist sicherlich nicht ganz ohne aber die Seile bieten Halt und die Tatsache, dass man innerhalb der Spalte klettert und nicht ausgesetzt an einer Wand, entschärft das Ganze schon sehr. Ich gönne mir vor dem Einstieg eine ausgedehnte Pause von 10 Minuten, esse Studentenfutter und trinke Wasser, um entspannt und gestärkt in die Kletterei zu gehen.
Die Kletterpartie ist bereits nach einigen Minuten gemeistert und war im Nachhinein halb so wild. Dass ich mir in der konzentrierten und zugegebenermaßen auch etwas angespannten Kletterei einen Zehnagel durch die dicken Meindls so angeschlagen habe, dass der sich später verabschiedet und neu wachsen muss, kann ich nicht mehr nachvollziehen. Dass ich davon nichts mitbekommen habe, muss wohl das Adrenalin schuld gewesen sein. Die ausgesetzten Meter danach sind mindestens mit dem gleichen Respekt zu behandeln, wie der Steig, denn nun geht es neben mir in die Tiefe und der schmale Pfad ist leicht abschüssig. Im Trockenen recht harmlos für Trittsichere, möchte ich bei Regen hier nur ungern laufen.
Nach dieser letzten Hürde – wie ich denke – sehe ich wenige Meter oberhalb von mir die Gratkante und das gelbe Schild , das mir den Weg bergab zum Württembergerhaus weist. Gleich ist es geschafft und es wartet ein entspannter Abstieg!
Oben am Schild angekommen stelle ich fest, dass es noch längst nicht geschafft ist: Das Leiterjöchl, das mich hinab zur Hütte führen soll, liegt in einem nordöstlich ausgerichteten Kessel, in dem die Wärme der Frühsommersonne bisher nur halbe Arbeit geleistet hat. Vom ersten Meter an steige ich in ein riesiges Schneefeld ein, das sich bis zur nächsten sichtbaren Kante hangabwärts fortsetzt. Kein Weg ist zu sehen und keine Schilder zu erkennen. Zum Glück finde ich ein paar ältere Fußspuren, denen ich vertrauensvoll folge, was bleibt mir auch übrig? Die Euphorie, über den Berg zu sein, ist einem ziemlichen Frust gewichen, die mit Vorfreude erwartete Vesper auf der Hütte in weite Ferne gerückt. Da die Spuren sich verzweigen und offenbar von verschiedenen Gruppen stammten, muss ich mir selber überlegen, wo es am sinnvollsten entlanggeht. Der Schnee ist mal fest, mal sehr weich und mehr als einmal höre ich unter mir einen Bach plätschern. Besonders an diesen Stellen gehe ich sehr vorsichtig und langsam, prüfe jeden Schritt und verteile Druck auf meine Wanderstöcke, die ich oben am Grat mit Schneetellern versehen habe. Nach einer gefühlten Ewigkeit habe ich die Firnfelder endlich überwunden und stehe am Beginn des letzten, steilen aber unkritischen Abstiegs hinab zu meinem Tagesziel.
Was für ein Ausblick! Das Württembergerhaus thront tief unter mir in der Abendsonne auf einem Vorsprung inmitten eines idyllischen Talkessels, der sich in einen traumhaften Ausblick, gefühlt bis nach Südtirol, verliert. Die letzten Abstiegsmeter arbeiten sich die Beine in einer Art Autopilot-Modus ohne mein Zutun in Richtung Abendessen und kühles Bier.
Das Wüttemberger Haus liegt, wie schon beschrieben, in einer bilderbuchmäßigen Kessellage mit wunderbarem Panorama. Das Personal ist extrem entspannt, freundlich und hilfsbereit. Das Essen war sehr lecker und die Tatsache, dass neben mir etwa 15-20 weitere Gäste die Hütte bevölkert hatten, zeigt mir erneut, dass es die Strapazen des Tages wert waren, die riesige Memminger Hütte umschlagen zu haben. Später am Abend, schon in der Dunkelheit kamen dann tatsächlich noch drei Wanderer vom Leiterjöchl herab. Sie waren meiner Spur gefolgt und kamen von der Memminger Hütte. Dort herrschten an diesem Tag laut Ihrem Bericht katastrophale Zustände. Die Hütte war gnadenlos überrannt, obwohl schon vor dem Haus eine Art Notunterkunft in Form eines riesigen Zeltes aufgebaut war. Alle Schlafplätze waren sogar bis auf den letzten Freiraum belegt. Die Leute schliefen auf den Fluren und in den Waschräumen und das Personal hatte den Armen nahegelegt, den Weg über das Oberlahmsjoch (das Schild an der Geröllhalde unterhalb des Schiefersees) und das Leiterjöchl zu nehmen, um es am Württembergerhaus zu versuchen. Keine schöne Vorstellung, wenn man schon dachte, sein Tagesziel bereits erreicht zu haben. Umso mehr genossen die drei die Ruhe und Gastlichkeit hier oben und mir wurde klar, dass der Frust über das Schneefeld beim Abstieg Peanuts waren im Vergleich zu dieser Odyssee.
Was ich bei dieser Etappen beim nächsten Mal anders machen würde: Ich würde mir genauere Informationen am Gasthof Bergheim und vom Württembergerhaus über die Schneelage am Leiterjöchl einholen, es könnte ja auch mal noch mehr dort liegen und echte Probleme bereiten.
Kontakte:
Bus & Taxi Feuerstein (für Transfer Bach-Madau)
Tel. +43(0)5633 5633 oder +43(0)676 930 9901
E-Mail: office@feuerstein-bus.at
Website: http://www.feuerstein-bus.at
Württembergerhaus:
Mirjam Schultes
Falterschein 99
6511 Zams
+43 (0)664 4401244
E-Mail: wuerttembergerhaus@gmx.at
Website: http://wuerttembergerhaus.co.at
E5 auf Abwegen, Tag 3: Württemberger Haus – Zams – Venet – Larcher Alm